Fakten  widerlegen Pauschalurteil

Bakterien, die gegen Antibiotika resistent sind, kommen weltweit immer häufiger vor. In den Medien und der öffentlichen Meinung wird häufig die Tierproduktion als Ursache für die Vermehrung dieser Bakterien angeführt. Eine plakative Aussage, die der Situation nicht gerecht wird, findet Prof. Dr. Roger Stephan von der Universität Zürich.

Bakterien sind winzige Lebewesen, die aus nur einer Zelle bestehen. Sie kommen überall vor und können zwischen Menschen, Tieren und der Umwelt übertragen werden. Sie können harmlos oder sogar nützlich sein, einige sind jedoch Erreger von Krankheiten. Zur Behandlung dieser Krankheiten werden in der Veterinär- und Humanmedizin Antibiotika eingesetzt. Sie hindern die Bakterien daran, sich zu vermehren, oder töten sie ab – sie müssen jedoch mit Bedacht eingesetzt werden. Wird ein Antibiotikum wahllos oder falsch an-gewendet, kann es seine Wirkung verlieren. Die unsachgemässe Behandlung mit Antibiotika kann dazu führen, dass Bakterien Resistenzen bilden. Durch genetische Mutationen erhalten die Bakterien neue Eigenschaften, die sie vor Antibiotika schützen. Es gibt Bakterien, die gegen mehrere oder auch alle verfügbaren Antibiotika resistent sind: Sie sind multiresistent. Meistens sind diese weder aggressiver, noch verursachen sie häufiger Infektionen als die nicht-resistenten Bakterien. Multiresistente Bakterien sind aber deshalb gefährlicher, weil im Falle einer Infektion ein Grossteil der Antibiotika nicht mehr wirkt.

Behandlungsrate in der Geflügelproduktion auf tiefem Niveau

In der Diskussion zur Zunahme von multiresistenten Bakterien ist der Einsatz von Antibiotika in der Tierproduktion eine oft genannte Ursache. Die Tatsache, dass multiresistente Bakterien beim Geflügel häufig gefunden werden, erzeugte in den Medien wiederholt ein grosses Echo.

Ohne Kenntnisse der genauen Sachlage werden in den Medien und in der öffentlichen Meinung vorschnelle Schlussfolgerungen gezogen, wonach die Situation auf einen übermässigen Einsatz von Antibiotika in der Tierproduktion zurückzuführen ist und die Geflügelmast hauptverantwortlich für die Resistenzen beim Menschen sei. Gemäss Prof. Dr. Roger Stephan vom Institut für Lebensmittelsicherheit und -hygiene der Universität Zürich werden diese plakativen Behauptungen der Situation jedoch nicht gerecht.

In der Schweizer Geflügelproduktion ist die Antibiotikabehandlungsrate international auf sehr tiefem Niveau: Weniger als jede 10. Herde erfährt eine Behandlung mit Antibiotika; 90 bis 95 Prozent müssen nie mit Antibiotika behandelt werden. Der Einsatz von Antibiotika als Wachstumsförderer wurde zudem sowohl in der Schweiz als auch in der EU bereits vor Jahren verboten. Von einem flächendeckenden, missbräuchlichen Antibiotikaeinsatz kann daher nicht gesprochen werden.

Weiter gilt es zu beachten, dass die in Schweizer Geflügelbeständen eingesetzten Wirksubstanzen in der Regel nicht die Resistenzen verursachen, die beim Menschen gefunden werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass beim Menschen andere multi-resistente Typen dominieren als beim Geflügel.

Prof. Dr. Roger Stephan, Veterinärmediziner und Direktor des Instituts für Lebensmittelsicherheit und -hygiene der VetSuisse-Fakultät der Universität Zürich leitete mehrere Untersuchungen zur Resistenzenproblematik bei Geflügel und Geflügelfleisch. (Bild: UZH, Stefan Latzel)

Die richtige Küchenhygiene kann entscheidend sein

Der Ursprung und die Übertragungswege resistenter Keime sind heute noch nicht abschliessend geklärt. Bei der Einhaltung gewisser Verhaltensregeln ist die Gefahr einer Übertragung jedoch sehr gering. Dazu gehört vor allem die richtige Hygiene im Umgang mit Fleisch. Aufgetautes Fleisch sollte unter keinen Umständen wieder eingefroren werden. Rohes Fleisch gilt es grundsätzlich von bereits zubereitetem Fleisch sowie roh konsumierten Lebensmitteln zu trennen. Küchenutensilien müssen nach Kontakt mit rohem Fleisch jeweils gründlich mit heissem Wasser und Seife gereinigt werden – das gilt auch fürs Händewaschen. Für die Zubereitung von Geflügel macht es Sinn, ein separates Brettchen und Messer zu verwenden. Wichtig ist zudem insbesondere das richtige Erhitzen von Fleisch, denn beim Erhitzungsprozess (+ 70 °C) werden Bakterien abgetötet. Daher muss vor allem Geflügel vor dem Konsumieren entsprechend erhitzt werden.